Liberty News - Was, wenn der Eigenmietwert fällt?

Wohneigentum würde durch die Abschaffung des Eigenmietwerts im herrschenden Tiefzinsumfeld deutlich attraktiver. Der Wohnkostenvorteil gegenüber der Miete wächst stetig und könnte im Jahresverlauf auf bis zu 30% steigen.

Nachdem das Parlament den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung beschlossen hat, haben Volk und Stände an der Urne das letzte Wort. Sollte die Vorlage angenommen werden, würden Wohneigentümerinnen und -eigentümer beim vorherrschenden tiefen Zinsniveau je nach Haushaltstyp zum Teil erhebliche Steuerersparnisse erzielen. «Am stärksten würden dank des hohen Ersterwerberabzugs Neuerwerberehepaare von der Reform profitieren. Auch Haushalte mit tiefer Belehnung, beispielsweise viele Rentnerhaushalte, würden zu den Gewinnern der Reform gehören», erläutert Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Und er fährt fort: «Am wenigsten entlastet würden dagegen Eigentümerinnen und Eigentümer von sanierungsbedürftigen Liegenschaften. Denn werterhaltende Sanierungsarbeiten und auch pauschale Unterhaltskosten könnten nicht mehr vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.»

Ungleiche Wertsteigerung bei Wohneigentum

Bei einer Abschaffung des Eigenmietwerts würde Wohneigentum im aktuellen Marktumfeld insgesamt spürbar an finanzieller Attraktivität und folglich auch an Wert gewinnen, ist Hasenmaile überzeugt. Eigenheime in sanierungsbedürftigem Zustand dürften allerdings aufgrund der durch die Reform wegfallenden latenten Steuerabzüge an Wert einbüssen. «Zu den potenziellen Verlierern der Reform zählt auch unter anderem das Baugewerbe. Dieses dürfte zwar in der Übergangsphase bis zum Inkrafttreten der Reform kurzfristig von vielen Last-Minute-Aufträgen profitieren, doch langfristig werden wegen des Wegfalls eines Grossteils der steuerlichen Unterhaltsabzüge weniger Mittel in die Sanierung von Wohngebäuden fliessen», erklärt er.

Bleibt das vorherrschende Zinsumfeld bestehen, hätte im Zuge der Reform auch der Fiskus auf Jahre hinaus mit Mindereinnahmen in Milliardenhöhe zu rechnen. «Erst ab einem Zinsniveau von knapp 3% beginnen sich gemäss unseren Berechnungen die Steuerentlastungen und Steuerbelastungen in etwa die Waage zu halten. Die Erfolgsaussichten der aufgegleisten Reform an der Urne sind indes nur schwer abzuschätzen. Auch wenn Wohneigentümerinnen und -eigentümer hierzulande klar in der Minderheit sind, lag ihre politische Partizipation gemäss unseren Analysen in der Vergangenheit deutlich über der durchschnittlichen Stimmbeteiligung der Schweizer Bevölkerung», führt Hasenmaile aus.

Sinkende Umzugsmobilität hält Mieter gefangen

Die anhaltende Wohnungsknappheit hinterlässt Spuren im Verhalten der Schweizer Bevölkerung. Weil kaum passende Objekte zu finden sind und die Marktmieten rasant steigen, sehen sich viele Mieterhaushalte zu grösseren Kompromissen gezwungen. Dies äussert sich in deutlichen Ausweichbewegungen in periphere Gemeinden oder gar im Verzicht auf Umzüge. Die Zahl der Personen, die pro Jahr innerhalb der Schweiz umziehen, hat sich seit dem Jahr 2020 um 74'000 Personen reduziert. Diese Verhaltensanpassungen sowie eine zuletzt etwas schwächere Zuwanderung haben die Verknappung des Wohnungsangebotes etwas gebremst.

Gleichzeitig lassen sich erste bauseitige Impulse erkennen. Im Jahr 2024 ist die Zahl der Wohnungen, für die ein Baugesuch eingereicht wurde, um 8% gestiegen. «Dieses Plus ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf einen heissen Stein. Denn selbst eine Ausweitung der tatsächlichen Bautätigkeit in dieser Grössenordnung würde nicht reichen, um das in den vergangenen drei Jahren entstandene Defizit zwischen Haushaltsgründungen und neu erstellten Wohnungen wettzumachen», erklärt Hasenmaile weiter. Und er legt nach: «Solange sich die Bautätigkeit nicht stärker erhöht, und sich kein Gleichgewicht auf dem Mietmarkt einstellt, wird die Wohnkostenbelastung der Mieter langfristig weiter zunehmen. Kurzfristig bringen allerdings zwei bis Ende Jahr erwartete Referenzzinssatzsenkungen zumindest für Bestandsmieterinnen und -mieter etwas Entlastung.»

Fulminante Trendwende am Eigenheimmarkt

Die jüngsten Zinssenkungen haben den Wohnkostenvorteil von Wohneigentum, der sich im Laufe des vergangenen Jahres wieder etabliert hat, weiter ausgeweitet. Bei einer typischen Vierzimmerwohnung kann eine Käuferin oder ein Käufer im Vergleich zur Miete zurzeit rund 17% seiner Wohnkosten sparen, sagt Raiffeisen. Mit den weiteren erwarteten Leitzinssenkungen wird dieser Vorteil im Jahresverlauf, zumindest für Geldmarkthypotheken, nochmals grösser werden und gegen 30% betragen. «Dank diesem markanten Attraktivitätsgewinn hat die Nachfrage nach Wohneigentum zuletzt wieder spürbar angezogen. So haben die Handänderungen in der zweiten Jahreshälfte 2024 für Einfamilienhäuser um rund 4% und für Eigentumswohnungen um 6.5% zugelegt.» Hasenmaile ergänzt: «Die bis Mitte 2024 deutlich nachlassende Preisdynamik beschleunigt sich bereits wieder. Damit hat die durch den Post-Covid-Zinsanstieg verursachte Abkühlung des Eigenheimmarktes ihr Ende gefunden. Die Zeichen deuten auf einen fulminanten Richtungswechsel hin.»

Gastgewerbe trimmt Hotels und Restaurants mit Umbauten und Renovationen fit

Die erfreulichen Umsatzzahlen im Gastgewerbe täuschen laut Analyse der Immobilienmarktexperten von Raiffeisen Schweiz über den wahren Zustand der Hotel- und Restaurationsbranche hinweg. Das anhaltend herausfordernde Marktumfeld spiegelt sich auch in den entsprechenden Immobiliensegmenten wider. Die Zahl der Neubauprojekte im gesättigten Markt ist tief, dagegen wird viel in Renovationen und Umbauten investiert. «Mit baulichen Effizienz- und Skalierungsmassnahmen trimmt die Branche ihren Gebäudepark fit, um mit immer tieferem Personalbestand den ausgeprägten Kostendruck in der Branche unter Kontrolle zu halten», so Hasenmailes Fazit.